Reaktionen auf die Aktion „Abschaffung der Naturmedizin“ - Brief an meine Heilpraktiker-Kolleginnen und -kollegen

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
als Anfang Januar 2008 mitgeteilt wurde, dass die Firma SANUM-KEHLBECK die Bakterienpräparate vom Markt nimmt, habe ich mich entschlossen, in Kooperation mit dem BIO-LABOR Hemer eine Aktion „Abschaffung der Naturmedizin als Folge der Nachzulassungsverfahren: Neue Richtlinien der europäischen Arzneimittelgesetzgebung führen zum Verlust altbewährter immunbiologischer Heilmittel“ zu starten.
Diese Aktion soll die Bundesbürger und die Politiker darauf aufmerksam machen, dass in der Medizin zurzeit ein Prozess abläuft, der viele Heilmittel der Naturheilkunde, die in Deutschland erforscht und entwickelt wurden, für alle Zeiten von der Bildfläche verbannt. Dies geschieht nicht etwa weil die Herstellerfirmen diese Präparate freiwillig vom Markt nehmen, sondern weil sich die kleinen und mittelständigen Unternehmen den Kostenaufwand der Nachzulassungsverfahren überhaupt nicht leisten können. Diese Tatsache hat die Gesetzgebung leider nicht bedacht.
Die Aktion bestand darin, auf meiner Website und der Website des BIO-LABORS einen Aufruf zu veröffentlichen sowie an die Kunden des Labors, deren E-Mail-Adressen uns bekannt sind, einen Aufruf zu schicken, sich gegen diese Entwicklung zur Wehr zu setzen. Es waren insgesamt ca. eintausend E-Mails!
Ca. einhundert Heilpraktiker und Ärzte haben spontan auf die Aktion geantwortet: bis auf eine negative Reaktion ausschließlich positiv mit persönlichem Dank, der Aufforderung, so weiterzumachen, oder mit der Bitte, den Text auf der eigenen Internetpräsenz veröffentlichen zu dürfen.
Auch wenn es wahrscheinlich viel zu wenige Kolleginnen und Kollegen waren, die sich in irgendeiner Weise gerührt haben, glaube ich schon, dass wir damit etwas in Gang gesetzt haben.

Nachdenklich stimmt die unverständliche Reaktion des Heilpraktiker-Berufsverbandes „Union Deutscher Heilpraktiker“, dem ich übrigens selbst seit 31 Jahren angehöre:
Ich sollte ursprünglich auf dem Heilpraktiker-Symposium des HP-Berufsverbandes „Union Deutscher Heilpraktiker“ am 08.11.2008 in Hanau einen Vortrag halten. Ende März rief mich die Präsidentin der Union Deutscher Heilpraktiker, Frau Monika Gerhardus, an und sagte ab: Der Vorstand des Verbandes hat beschlossen mich auszuladen, weil ich mit meiner Aktion der Heilpraktikerschaft „großen Schaden zugefügt“ hätte.
Auch hätte sie mit Herrn Reiner Kehlbeck telefoniert: Die Firma SANUM distanziert sich von meiner Aktion, und ob wir das Mailing nicht abändern bzw. ein zweites Mailing versenden könnten, in dem wir die BIO-LABOR-Kunden auffordern würden, weder die Firma SANUM noch die Präparate Utilin, Recarcin etc. in etwaigen Schreiben an Politiker namentlich zu erwähnen.
Darüber hinaus veröffentlichte diese Verbandspräsidentin unter der Überschrift „Gut gemeint ist nicht gleich gut getan“ folgenden Artikel in der ZEITSCHRIFT FÜR NATURHEILKUNDE (Organ der Union Deutscher Heilpraktiker e. V.), Heft 4, April 2008:

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
vor wenigen Wochen wurde per E-Mail ein Aktionsschreiben eines gut meinenden Kollegen verschickt. Die Mail übermittelte eine Vorlage für ein Schreiben an Politiker. Inhalt des Schreibens war eine Beschwerde über die derzeitige Arzneimittelsituation. Die darin zum Ausdruck gekommene Frustration ist zwar sehr verständlich, sehen wir doch alle voll Sorge, gemeinsam mit unsren befreundeten pharmazeutischen Unternehmen, dass immer mehr „unserer“ Heilmittel vom Markt genommen werden (müssen). Leider war in der empfohlenen Formulierung aber auch ein pharmazeutisches Unternehmen erwähnt, das weder Kenntnis hatte von der genannten Aktion noch von der Tatsache, dass es mit einigen Mitteln erwähnt wurde. Das kam bei dem Unternehmen nicht gut an.
Was gut gemeint ist, ist noch lange nicht gut!
Mit solchen, nicht abgestimmten Aktionen schaden wir uns, unseren Interessen und den Unternehmen, die mit uns eigentlich im gleichen Boot sitzen. Aktivitäten aus den Reihen unserer Kollegen begrüßen wir im Bundesverband wirklich und gern. Aber eine Ab- bzw. Rücksprache mit uns macht dabei absolut Sinn und ist auf Grund unserer Erfahrung mit derartigen Aktionen sogar tunlichst angeraten.
Nicht nur die Erwähnung einer bestimmten Firma war im genannten Fall kontraproduktiv, es wird in dem Schreiben auch noch behauptet: „... Unter Einsatz dieser Mittel konnte ich Patienten mit chronischen Krankheiten und Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew, Colitis ulcerosa, Diabetes Typ I, Multiple Sklerose, Autoimmunthyreopathien und auch Krebserkrankungen erfolgreich behandeln ...“ Angesichts der verzweifelten Suche nach Hilfe bei Krebs - in der Naturheilkunde ebenso wie in der allopathischen Schulmedizin - sind solche „großen“ Aussagen, die nicht nur von den Politikern ernstlich hinterfragt werden.
Das betroffene Unternehmen teilt im Übrigen diese Einschätzung und antwortete auf meine Nachfrage: „... Im Ergebnis heißt es damit, dass z. B. eine Krankheit wie Krebs ohne die Mittel nicht geheilt werden kann. Das sind Behauptungen, die man rechtlich mit Sicherheit nicht durchsetzen kann, sodass wir uns angesichts nicht erfolgter Absprache nur von der Veröffentlichung distanzieren können ...“
Wir bitten Sie deshalb, von dem vorgeschlagenen Text Abstand zu nehmen, unserer gemeinsamen Sache zu Liebe
.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Gerhardus
Präsidentin

Folgende Fragen müssen Sie sich selbst beantworten:
::  Was will Frau Gerhardus mit diesem Artikel erreichen?
::  Warum würden wir mit solchen Aktionen uns, unseren Interessen und den Unternehmen schaden?
::  Warum kam diese Aktion bei dem Unternehmen wohl nicht gut an?

Ich will doch „rechtlich nicht durchsetzen“, dass „ich unter Einsatz dieser Mittel Patienten mit chronischen Krankheiten und Autoimmunerkrankungen erfolgreich behandeln kann“! Ich teile lediglich meine eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse über Heilungserfolge mit.
Mit diesen Erkenntnissen stehe ich übrigens nicht allein da: In den 1980er und 1990er Jahren predigten die Top-SANUM-Therapeuten Prigge, Wagner und Grüger auf den SANUM-Tagungen in Hannover „dass z. B. eine Krankheit wie Krebs ohne diese Mittel nicht geheilt werden kann.“ Umfangreiche Belege für diese Aussagen liegen vor.

Sollte das heute nicht mehr stimmen? Welcher „gemeinsamen Sache zu Liebe“ nutzt es, wenn die Leser von dem vorgeschlagenen Text Abstand nehmen? Und eine Frage, die ich mir selbst stellen muss: Fühle ich mich von so einem Berufsverband als Heilpraktiker gut vertreten - oder bin ich 31 Jahre zu lange zahlendes Mitglied dieses Vereins!

Am 19.05.2008 bekam ich dann einen Brief vom Bundesministerium für Gesundheit. Der erste Teil des Briefes ist insbesondere für die Kolleginnen und Kollegen interessant, die ebenfalls Briefe an Bundesministerin Ulla Schmidt geschrieben haben, es sich unklugerweise jedoch zu einfach gemacht und den beispielhaft abgedruckten Text wörtlich abgeschrieben haben. So etwas wird natürlich als Kettenbriefaktion gewertet; und Kettenbriefe haben u. U. nicht mehr Gewicht als ein einziger Brief.
Folgender Brief ist unterzeichnet von Ministerialrätin Dr. Christina Friede-Mohr:

Sehr geehrter Herr Tuppek,
Sie haben auf der Website der Firma BIO-LABOR Hemer dazu aufgerufen, Briefe an Bundesministerin Ulla Schmidt zu schreiben. Diese werden hier zur Kenntnis genommen. Auf Kettenbriefaktionen antwortet das Bundesministerium für Gesundheit in der Regel nicht. Zumindest nicht an den einzelnen Teilnehmer.
Ihnen als Initiator der Campagne zur Nachzulassung für Arzneimittel der Naturmedizin teile ich folgendes mit:
Das europäische und das deutsche Arzneimittelrecht sieht den Beleg der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels als Voraussetzung für seine Zulassung vor. Dies gilt gleichermaßen für „schulmedizinische“ als auch für „naturheilkundliche“ Arzneimittel. Für die Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) existieren im deutschen Arzneimittelgesetz Sonderegelungen, die vorsehen, die medizinischen Erfahrungen der jeweiligen Therapierichtungen zu berücksichtigen und somit ein vereinfachtes Zulassungs- oder Registrierungsverfahren ermöglichen. Weiterhin sieht das Arzneimittelgesetz vor, bei bekannten und langjährig verwendeten Arzneimitteln anderes wissenschaftliches Erkenntnismaterial anstelle von Ergebnissen pharmakologischer und toxikologischer Versuche und klinischer Prüfungen vorzulegen.
Durch diese Regelungen wird den Anforderungen an sichere und geprüfte Arzneimittel auf europäischer und nationaler Ebene ebenso entsprochen, wie dem ausdrücklichen Ziel der therapeutischen Vielfalt in Deutschland. Die Entscheidung, für einzelne Arzneimittel einen Antrag auf Zulassung zu stellen, liegt insofern in der Verantwortung des pharmazeutischen Unternehmens.
Mit freundlichen Grüßen

Die Konkurrenz zwischen dem demokratische Grundsatz der Berücksichtigung individueller Interessen und dem System der freien Marktwirtschaft wird deutlich. Die Stärkeren werden überleben!
Eine Bitte an alle Kolleginnen und Kollegen: Teilen Sie mir bitte auch Ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit dieser Aktion mit. Ich werde Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden halten.
Mit kollegialen Grüßen
Manfred Tuppek

Es wird lustig:
Soeben erreicht uns die Nachricht, dass Frau Gerhardus vom Bundesverband der Union Deutscher Heilpraktiker unter der Überschrift „ Baldiges Aus für Pfefferminze, Eukalyptus, Knoblauch und Kamille?“ selbst eine Presseinformation veröffentlichte. Der Text enthält  u. a. folgende Hinweise:
Europäische Harmonisierung der Arzneimittelregistrierung bereitet Heilpraktikern ernste Sorge um pflanzliche Arzneien in Deutschland. ...
Der Gesetzgeber will nun klinische Studien vorschreiben, um mögliche Wechselwirkungen mit chemischen Medikamenten aufzudecken. Da die meisten Hersteller für pflanzliche Heilmittel mittelständische Unternehmen sind, können sie im Gegensatz zur Pharmaindustrie solche Studien nicht finanzieren. Präparate von Herstellern, die solche Studien nicht durchführen oder finanzieren können, würden dann gegebenenfalls zu Nahrungsergänzungsmitteln herab gestuft werden oder viele bewährte Phytopharmaka würden vom Markt genommen werden müssen.

Geht doch ...